Heute lädt uns Gott ein, den unerwarteten Reichtum der Liebe zu entdecken: eine vollkommene Liebe, die wir mit jeder Faser unseres Seins schenken, und eine grenzenlose Liebe, geworfen wie ein Netz der Barmherzigkeit über jeden Menschen in Not.
„Dieses Gesetz… ist dir ganz nahe“
„Denn dieses Gebot, das ich dir heute auftrage, ist nicht zu schwer für dich und nicht unerreichbar. Es liegt nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: ›Wer steigt für uns in den Himmel hinauf und holt es uns, damit wir es hören und tun?‹ Auch ist es nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: ›Wer fährt für uns ans Ende des Meeres hinüber und holt es uns, damit wir es hören und tun?‹ Sondern das Wort ist dir ganz nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen, damit du es tust.“
(Dtn 30, 11.14)
Mitten in der Wüste erinnert Mose das Volk daran, dass die Weisung – der Gipfel des Bundes – keine äußere Last, sondern der Lebensatem des Glaubenden ist. Sie wurzelt in einem wachen Herzen, ebenso wie das Kind von Bethlehem im Stall uns die filiale Einfachheit schmecken lässt: Gottes Liebe zu leben übersteigt nicht unsere Kräfte, sondern entfaltet sich in Leib und Atem.
Die Forderung nach vollkommener Liebe
Gott spart nicht mit dem Wort „lieben“:
„Wenn du aber zum HERRN, deinem Gott, zurückkehrst und seine Stimme mit ganzem Herzen und ganzer Seele gehorsam bist…“
(Dtn 30, 10)
Im Evangelium wiederholt Jesus gegenüber einem Schriftgelehrten:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.“
(Lk 10, 27)
Diese vier Dimensionen – Herz, Seele, Kraft, Denken – skizzieren die Haltung des Jünger-Kindes: zärtlich, tiefgründig, kraftvoll, erleuchtet. Sie erinnern an die wunderbare Einfachheit und Schlichtheit des Christkindes von Bethlehem: eine Einfachheit, die Eitelkeit abschüttelt, eine Sehnsucht nach Wahrheit, die allen Trug fallen lässt, und eine Demut, die sich furchtlos zeigt.
Gott lieben und den Nächsten lieben
Gottesliebe und Nächstenliebe stehen nicht im Widerspruch, sondern erhellen einander. Die bloße Existenz dieser beiden Gebote „ist dir ganz nahe“ – wie ein Weg in Stein gemeißelt, so ist Gottes Wort in das Herz des Jüngers eingraviert.
Fragt der Schriftgelehrte: „Wer ist denn mein Nächster?“ (Lk 10, 29), antwortet Jesus mit der Parabel vom barmherzigen Samariter: Ein schwer verletzter Mann erhält Hilfe, Unterkunft und Pflege nicht von den Erwarteten, sondern von einem Fremden voller Mitgefühl, der ohne Abwägen handelt (vgl. Lk 10, 30–35).
Der Nächste ist jeder Mensch in Not, denn unsere göttliche Sohnschaft befähigt uns, in jedem Verwundeten einen Bruder oder eine Schwester zu erkennen. So ergießt sich Gottes Liebe – durch die wir seine geliebten Kinder sind – als Quelle der Barmherzigkeit über alle.
Der Sohn, Abbild der göttlichen Liebe
Wie Paulus den Kolossern schreibt:
„Er ist das Abbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung; denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist… Er ist das Haupt des Leibes, der Kirche.“
(Kol 1, 15–18)
In ihm wird die väterliche Allmacht zur Nähe: Die „Kraft“ der göttlichen Liebe zwingt nicht, sondern schafft und befreit. In der Spiritualität des Kindes von Bethlehem lernen wir, dass die größte Liebe sich unter den einfachsten Erscheinungen verbirgt und wir in jedem demütigen Dienst an Christi Stelle treten – Wiederhersteller von Leben und Hoffnung.
Gebet des Tages
Herr Jesus,
du, der die Krippe zum Altar der Einfachheit gemacht hast,
lehre uns die zärtliche Radikalität deiner Liebe:
lass uns mit ganzem Herzen lieben,
dienen ohne Hintergedanken und jeden Bruder aufnehmen.
Möge dein Geist – der Atem des Kindes von Bethlehem –
uns in jene Liebe führen, die heilt und verbindet.
Amen.
Biblische Lesungen
- Dtn 30, 10–14
- Kol 1, 15–20
- Lk 10, 25–37
Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
stand ein Schriftgelehrter auf,
stellte Jesus eine Falle und fragte:
„Meister, was muss ich tun,
um das ewige Leben zu erben?“
Jesus sagte zu ihm:
„Was steht im Gesetz geschrieben?
Wie liest du es?“
Er antwortete:
„›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
mit deinem ganzen Herzen,
mit deiner ganzen Seele,
mit deiner ganzen Kraft
und mit deinem ganzen Denken,
und deinen Nächsten wie dich selbst.‹“
Jesus sagte zu ihm:
„Du hast richtig geantwortet;
tu dies, und du wirst leben.“
Er aber,
weil er sich rechtfertigen wollte,
fragte Jesus:
„Und wer ist mein Nächster?“
Jesus nahm das Wort wieder auf und sagte:
„Ein Mensch ging von Jerusalem herab nach Jericho
und fiel unter Räuber;
diese entkleideten ihn,
schlugen ihn und gingen fort,
ihn halb tot zurücklassend.
Es traf sich, dass ein Priester denselben Weg ging;
er sah ihn und ging vorüber.
Ebenso kam ein Levit an die Stelle,
sah ihn und ging vorüber.
Aber ein Samariter, der unterwegs war,
kam an ihn heran;
er sah ihn und hatte Mitleid.
Er ging zu ihm, verband seine Wunden,
goss Öl und Wein darauf,
lud ihn auf sein Tier,
brachte ihn in ein Gasthaus
und sorgte für ihn.
Am nächsten Tag nahm er zwei Denare,
gab sie dem Wirt und sagte:
‚Kümmer dich um ihn;
was du darüber hinaus ausgibst,
will ich dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.‘
Wer von diesen dreien, meinst du,
war dem gefallen Mann der Nächste?“
Er sagte:
„Der, der Barmherzigkeit an ihm bewiesen hat.“
Und Jesus sagte zu ihm:
„Geh hin und handle ebenso.“
Für die vollständigen Lesungen des Tages siehe Vatican News.
Zum Nachdenken
- Wie kann ich täglich mit den „Ohren des Herzens“ lauschen, um Gott mit meinem ganzen Sein zu lieben?
- Wer ist der „Samariter“, den ich unbemerkt vorübergehe? Wie kann ich ihm die Hand reichen?
- In welcher Weise spiegelt mein brüderlicher Dienst die wunderbare Einfachheit des Christkindes wider?
Comments are closed.